Zum Hauptinhalt springen

Was vom Winzerfest übrig bleibt: Der Bauhof beseitigt jeden Morgen die Spuren des Abends  

in Pressemitteilungen 4 Minuten Lesedauer

Zwei Menschen in orangen Hosen fegen Müll von der Straße.

Bensheim | 6. September 2024 Der Morgen macht den Tag. Was in der Werbung fast schon philosophische Anklänge hat, bedeutet umgemünzt auf das Bergsträßer Winzerfest: Die Mitarbeitenden des Bauhofs machen den Tag. Und retten ihn auch manchmal. Wenn sie Geldbörsen, Handys, Kreditkarten oder Handtaschen in den Hinterlassenschaften des vorangegangenen Abends finden. „Dann versuchen wir die Besitzer zu ermitteln. Wenn das nicht möglich ist, gehen die Sachen ins Fundbüro“, erklärt Vorarbeiter Peter Stanzel.

Meistens treffen die Trupps aber auf „alte Bekannte“, wenn sie gegen 7 Uhr auf dem Festgelände in der Innenstadt ankommen: Gläser und Weinflaschen, manche intakt, viele zerschellt auf dem Kopfsteinpflaster oder rund um die Bühne im Winzerdorf – so auch am Donnerstagmorgen. Ein Heer aus Leergut wartet auf Entsorgung. Dazu Verpackungsmüll und als „Garnierung“ eine nasse Klopapierrolle. Für die Männer trotzdem reine Routine. Die Abläufe sind eingespielt. Handschuhe an und erstmal schauen, wie heftig die Party zuvor war. „Eine durchschnittliche Menge“, so die Einschätzung beim ersten Blick in die Runde.

Heftiger sei es an den Wochenenden und nach dem Tag der Betriebe. „Da knirscht es bei fast jedem Schritt.“ Wenn Scherben tatsächlich Glück brächten, müssten die Bauhof-Mitarbeiter dringend Lotto spielen.  Die großen Brocken sind schneller zusammengefegt. Nerviger wird es, keine Splitter aus den Fugen zu kratzen. Oder, wie am Donnerstag, die Schnipsel einer Konfettikanone, die offenbar im Überschwang der Gefühle gezündet wurde.

Beim Winzerfest wird eben lange, gerne und gut gefeiert. So auch bei der 86. Auflage in diesem Jahr. Dass es auch mal ausgelassener wird, gehört dazu. Nicht unbedingt nachvollziehbar: Warum trotz Gläserpfand von zwei und drei Euro (Stielgläser) so viel zu Bruch geht oder einfach zurückgelassen wird. „Offenbar ist das Pfand noch nicht hoch genug“, heißt es da schulterzuckend aus der morgendlichen Reinigungsrunde.

Ändern können es die Mitarbeiter des Zweckverbands KMB, zu dem der Bauhofservice gehört, ohnehin nicht. Und so gehen Flaschen und Scherben aus dem Winzerdorf den Weg alles Irdischen und landen in einer der 14 Mülltonnen, die dort stehen. 70 bis 80 sind es auf dem gesamten Areal. Die meisten voll bis zum Deckelrand, wenn sie zum Sammelplatz gebracht werden. Restalkohol inklusive, denn nicht alle Flaschen werden ausgetrunken. Am Abholpunkt wartet ein kleines, eigens für das Winzerfest angemietetes Müllauto. „Das hat sich bewährt, damit kommen wir überall hin. Was aber viel wichtiger ist: Unsere Mitarbeiter müssen die schweren Tonnen nicht mehr wie früher auf die Ladeflächen der Fahrzeuge wuchten“, verdeutlicht Harald Berger, Geschäftsbereichsleiter Technik.

Gesammelt werden die Überreste in einem großen Container an einem Standort des Bauhofs, der dreimal in der Woche geleert wird. Zwei Stunden dauert im Durchschnitt der morgendliche Einsatz. Danach sieht das Festgelände wieder vorzeigbar aus. 41 Mitarbeitende sind dafür unterwegs, aufgeteilt in fünf Gebiete. Für die Dauer des bedeutendsten und größten Wein- und Volksfests in Südhessen herrscht beim Bauhof Urlaubssperre.

Alle Mann an Bord also, um das Mammutprogramm zu stemmen. Mit Kehrmaschine, Transporter und dem „Spritzwagen“ geht es in die Fußgängerzone. Letzterer dient eigentlich der Gärtnerkolonne dazu, Pflanzen oder Bäume zu bewässern. Aktuell wird er zusätzlich dafür verwenden, um unerwünschte Spuren zu verwischen. „Wenn zu viel reinkommt, kommt es oft halt unkontrolliert wieder raus“, lautet der Kommentar, der keiner weiteren Erklärung bedarf.

Kein Job für zarte Gemüter oder zu feine Näschen. Schreckhaft sollte man vermutlich auch nicht sein. Vor allem an den Wochenenden kann es passieren, dass die Menge an Alkohol im Blut den Weg ins heimische Bett unmöglich gemacht hat. Überraschen kann die Männer kaum noch etwas, dafür sind sie meisten schon zu lange dabei. „Viele machen das seit zehn, zwanzig Jahren“, schätzt Peter Stanzel, der selbst seit mehr als drei Jahrzehnten beim Bauhof ist.

Als Dankeschön lädt der Verkehrsverein als Ausrichter des Bergsträßer Winzerfests immer donnerstags die Mitarbeitenden zum Frühstück ein. Das hat sich in den vergangenen Jahren zu einer schönen Tradition entwickelt. „Ein kleines Zeichen der Wertschätzung, weil wir wissen, was wir am Bauhof haben“, erläutert Thomas Herborn, geschäftsführender Vorsitzender des Verkehrsvereins. Auch für Bürgermeistern Christine Klein ist es ein Termin, um danke zu sagen. Denn die Teams putzen nicht nur während der Festwoche jeden Morgen bis 9 Uhr die Stadt heraus.

Beim Aufbau des Winzerdorfs wird schon lange vor den ersten Salutschüssen zur Eröffnung auf dem Marktplatz tatkräftig unterstützt. Blumenkübel und Bänke werden abtransportiert, um Platz für Stände oder Fahrgeschäfte zu schaffen. Blumenbeete erhalten den letzten Feinschliff. Lkw-Sperren werden aufgebaut, Schilder für die Rettungswege angebracht. Kurzfristige Hilferufe von Standbetreibern werden, sofern machbar, ebenfalls erhört.

Rund um den Festzug werden Absperrgitter entlang der Strecke verteilt und Beschilderungen aufgestellt. Allein dafür sind sechs Mann sonntags einen halben Tag abgestellt. Nach der bunten Parade muss ebenfalls kräftig durchgewischt werden. Die Kehrmaschine gehört nicht umsonst zum festen Bestandteil mit eigener Zugnummer. Doch auch hier ist Handarbeit angesagt, um die Straßen, Gehwege und Grünflächen von Flyern, Pappbechern und Sonstigem zu befreien.

Am Donnerstagmorgen sind die Mitarbeiter pünktlich mit ihrer Schicht durch. Doch auch für sie gilt: Nach dem Winzerfest ist vor dem Winzerfest. Am nächsten Tag geht es um 7 Uhr wieder von vorne los, die nächsten leergetrunken Flaschen warten schon.